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Vertragsfreiheit im Überblick

Vertragsfreiheit im Überblick
Jurahilfe Team

Die Vertragsfreiheit (auch Privatautonomie genannt) ist ein zentrales Prinzip des deutschen Zivilrechts, das auf Art. 2 Abs. 1 GG und § 311 BGB beruht. Sie beschreibt das Recht privater Personen, ihre Rechtsverhältnisse eigenverantwortlich zu gestalten. Damit sind sie grundsätzlich frei, Ob und mit wem sie Verträge schließen, wie die Verträge ausgestaltet werden und unter welchen Bedingungen sie zustande kommen. Allerdings ist diese Freiheit nicht grenzenlos.

1. Was versteht man unter Vertragsfreiheit?

Unter Vertragsfreiheit versteht man das Recht jedes Einzelnen, seine privaten Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen zu bestimmen. Das bedeutet:

  • Selbstverantwortung: Die beteiligten Parteien entscheiden selbst, ob sie einen Vertrag abschließen und welche Inhalte vereinbart werden.
  • Dispositives Recht: Die meisten Vorschriften des BGB sind abdingbar, das heißt, sie gelten nur, wenn die Parteien nichts anderes vereinbaren.

Beispiel: Im Kaufrecht kann der Kaufpreis frei bestimmt werden, solange keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften verletzt werden.

2. Was beinhaltet die Vertragsfreiheit im Einzelnen?

  1. Abschlussfreiheit
    • Ob und mit wem ein Vertrag geschlossen wird, entscheidet jede Partei selbst.
    • Ausnahme: Kontrahierungszwang, etwa bei Pflichtversicherungen (Kfz-Haftpflicht, Krankenversicherung).
  2. Gestaltungsfreiheit
    • Die Parteien können ihre Verträge nach eigenem Ermessen formen ("Verträge sui generis").
    • Soweit möglich, orientiert man sich an Regelungen des BGB, die dem Vertragstyp am ähnlichsten sind.
  3. Formfreiheit
    • Verträge können grundsätzlich formlos abgeschlossen werden.
    • Ausnahme: Gesetz oder Vertrag sieht eine bestimmte Form vor.
  4. Rechtswahlfreiheit
    • Bei grenzüberschreitenden Geschäften kann das anwendbare Recht gewählt werden.

3. Grenzen der Vertragsfreiheit

  1. Zwingendes Recht
    • Viele Vorschriften sind abdingbar, doch einige sind zwingend (z. B. Verbraucherschutz, Mieterschutz, Arbeitsrecht, Sachenrecht).
    • Beispiel: § 551 Abs. 4 BGB verbietet Abweichungen zum Nachteil des Mieters.
  2. Gesetzliche Verbote (§ 134 BGB)
    • Rechtsgeschäfte, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind nichtig (z. B. Drogengeschäfte, Schwarzarbeit).
  3. Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB)
    • Rechtsgeschäfte, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßen, sind nichtig.
    • Beispiel: Wucher oder extreme Ausbeutung einer Zwangslage.
  4. Treu und Glauben (§ 242 BGB)
    • Jeder Vertragspartner muss sich loyal und rücksichtsvoll verhalten.
  5. Schutz schwächerer Parteien
    • Mieter, Arbeitnehmer und Verbraucher werden besonders geschützt (z. B. AGB-Kontrolle).
  6. Kontrahierungszwang
    • In seltenen Fällen besteht eine gesetzliche Pflicht, einen Vertrag abzuschließen (Pflichtversicherungen). Bei Ablehnung kann ein sittenwidriges Verhalten vorliegen.
  7. Verträge über bestimmte Gegenstände
    • Verträge über künftiges Vermögen (§ 311b Abs. 2 BGB) oder über den Nachlass lebender Dritter (§ 311b Abs. 4 S. 1 BGB) sind nichtig.

4. Fazit

Die Vertragsfreiheit gewährleistet, dass private Personen ihre Rechtsbeziehungen selbst gestalten können. Dieser Grundsatz findet seine Grenzen dort, wo zwingende Gesetze, Sittenwidrigkeit oder Treu und Glauben verletzt werden. Zudem genießen bestimmte Personengruppen oder Verträge einen besonderen gesetzlichen Schutz.

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